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drei sechste Klappen
an Klarinetten im Vergleich:
Oben eine Trillerklappe von Milhouse
(EUCHMI 4717),
darunter eine cis0/gis2-Klappe von Gentellet
(EUCHMI 4723),
unten eine Klappe
zur Intonationskorrektur von Simiot
(EUCHMI 4956)
drei sechste Klappen
an Klarinetten im Vergleich:
Oben eine Trillerklappe von Milhouse
(EUCHMI 4717),
darunter eine cis0/gis2-Klappe von Gentellet
(EUCHMI 4723),
unten eine Klappe
zur Intonationskorrektur von Simiot
(EUCHMI 4956)
Die sechste Klappe
Verlief die Entwicklung im Klarinettenbau bis zur 5-Klappen-Klarinette recht einheitlich, so ersannen Instrumentenbauer um 1800 verschiedene Erweiterungen des Tonumfangs.
Der englische Klarinettenbau verwendet als sechste Klappe stets eine Trillerklappe für a’/h’. Diese Trillerklappe ist eine im Ruhezustand geschlossene Langstielklappe und wird mit dem Zeigefinger der rechten Hand bedient. Auf diese Weise ist ein Wechsel zwischen dem mittleren und dem überblasenen Register, bei dem ohne Trillerklappe neun und mit dieser Klappe ein Finger bewegt werden müssen, in raschem Tempo möglich; ein Triller ist ohne diese Klappe nicht auszuführen. Das englische Klappenarrangement deutet darauf hin, dass die Klarinette als Melodieinstrument eingesetzt wurde, also für eine Musik, in der Verzierungen und Triller von Bedeutung waren.
»Ich habe auch eine sechste Klappe hinzugefügt, welche, dazu dient, das CIS oder DES des Chalumeau zu blasen; ohne diese Klappe ist dieser Ton so falsch, dass man nicht entscheiden kann, ob er CIS oder D seyn soll; wenn dieser Ton in der Tonart D dur oder D moll vorkommt, so ist es ein Leiteton, ist aber nicht bestimmt genug, um ihn für die Harmonie zu brauchen. Durch diese sechste Klappe indessen wird er ganz rein; überdies hat sie noch den Vorteil, dass man vermittels ihr das GIS oder AS der zweiten Oktave machen kann. Wenn man sie nicht anwenden wollte, so würde man diesem doppelten Vortheile entsagen und die Klarinette einer Vollkommenheit berauben, deren sie fähig ist.«
Xavier Lefèvre, Methode de Clarinette, Offenbach a. M. 1805
In Paris beanspruchte Jean Xavier Lefèvre (1763–1829), Klarinettenprofessor am Conservatoire, die Erfindung der sechsten Klappe für sich. Es handelt sich um eine im Ruhezustand geschlossene Klappe für cis0/gis2, die mit dem kleinen Finger der linken Hand betätigt wird. Die Intention für die Anbringung dieser Klappe ist eine Erweiterung der auf der Klarinette ausführbaren Tonarten. Während die Fünfklappen-Klarinette auf C-Dur und die benachbarten Tonarten F-Dur und G-Dur beschränkt blieb, standen dem Spieler mit dieser sechsklappigen Klarinette auch B-Dur, D-Dur und die verwandten Tonarten zur Verfügung. Hier folgt der Instrumentenbau den Veränderungen im zeitgenössischen Musikstil, der durch größeren harmonischen Reichtum gekennzeichnet ist. Damit sollte die Klarinette den Anforderungen des Opern- und Sinfonieorchesters gerecht werden, in welchem sie als Melodie- und Harmonieinstrument eingesetzt wurde.
Der Klarinettenbauer Jean Jacques Simiot (Lyon) wiederum verfolgte beim Anbringen der sechsten Klappe einen grundsätzlicheren Ansatz: Er betrachtete offenbar ganz wie Louis Spohr in seinem Vorwort zu Opus 26 das Fehlen der gut intonierten Töne h0/fis2, welche als Leittöne für C-Dur bzw. G-Dur von Bedeutung sind, als die größten Mängel der zeitgenössischen Klarinette. Weil die Töne h0 und fis2 in der Regel zu hoch sind, wenn der Gabelgriff für b0/f2 gut stimmt, ergibt sich bei der Klarinette ein Intonationsproblem für diese Töne. Simiot bringt ein zusätzliches chromatisch offenes Tonloch mit einer im Ruhezustand verschlossene sechste Klappe für den rechten Ring- oder Kleinfinger an, die bei der Produktion von h0/fis2 niedergedrückt wird und den Ton erhöht.
Im Gegensatz zu den anderen Instrumentenbauern war Simiot offensichtlich der Auffassung, dass die Intonation der diatonischen Klarinette verbessert werden sollte, bevor man sich mit ihrer chromatischen Erweiterung beschäftigte.
Nimmt man nun diese drei Entwicklungen zusammen – Trillerklappe, cis1/gis2-Klappe und h0/fis2-Verbesserung – hat man schon acht der von Spohr geforderten Klappen beisammen. Die Standardisierung der Griffweise und des Tonvorrats muss für Instrumentalisten und Komponisten gleichermaßen ein Desideratum gewesen sein – wie nicht zuletzt Louis Spohrs Vorbemerkung eindrücklich zeigt. Erst mit dem um 1812 aufkommenden Müller-System erfolgt allmählich eine Standardisierung des Griffsystems.
Der englische Klarinettenbau verwendet als sechste Klappe stets eine Trillerklappe für a’/h’. Diese Trillerklappe ist eine im Ruhezustand geschlossene Langstielklappe und wird mit dem Zeigefinger der rechten Hand bedient. Auf diese Weise ist ein Wechsel zwischen dem mittleren und dem überblasenen Register, bei dem ohne Trillerklappe neun und mit dieser Klappe ein Finger bewegt werden müssen, in raschem Tempo möglich; ein Triller ist ohne diese Klappe nicht auszuführen. Das englische Klappenarrangement deutet darauf hin, dass die Klarinette als Melodieinstrument eingesetzt wurde, also für eine Musik, in der Verzierungen und Triller von Bedeutung waren.
»Ich habe auch eine sechste Klappe hinzugefügt, welche, dazu dient, das CIS oder DES des Chalumeau zu blasen; ohne diese Klappe ist dieser Ton so falsch, dass man nicht entscheiden kann, ob er CIS oder D seyn soll; wenn dieser Ton in der Tonart D dur oder D moll vorkommt, so ist es ein Leiteton, ist aber nicht bestimmt genug, um ihn für die Harmonie zu brauchen. Durch diese sechste Klappe indessen wird er ganz rein; überdies hat sie noch den Vorteil, dass man vermittels ihr das GIS oder AS der zweiten Oktave machen kann. Wenn man sie nicht anwenden wollte, so würde man diesem doppelten Vortheile entsagen und die Klarinette einer Vollkommenheit berauben, deren sie fähig ist.«
Xavier Lefèvre, Methode de Clarinette, Offenbach a. M. 1805
In Paris beanspruchte Jean Xavier Lefèvre (1763–1829), Klarinettenprofessor am Conservatoire, die Erfindung der sechsten Klappe für sich. Es handelt sich um eine im Ruhezustand geschlossene Klappe für cis0/gis2, die mit dem kleinen Finger der linken Hand betätigt wird. Die Intention für die Anbringung dieser Klappe ist eine Erweiterung der auf der Klarinette ausführbaren Tonarten. Während die Fünfklappen-Klarinette auf C-Dur und die benachbarten Tonarten F-Dur und G-Dur beschränkt blieb, standen dem Spieler mit dieser sechsklappigen Klarinette auch B-Dur, D-Dur und die verwandten Tonarten zur Verfügung. Hier folgt der Instrumentenbau den Veränderungen im zeitgenössischen Musikstil, der durch größeren harmonischen Reichtum gekennzeichnet ist. Damit sollte die Klarinette den Anforderungen des Opern- und Sinfonieorchesters gerecht werden, in welchem sie als Melodie- und Harmonieinstrument eingesetzt wurde.
Der Klarinettenbauer Jean Jacques Simiot (Lyon) wiederum verfolgte beim Anbringen der sechsten Klappe einen grundsätzlicheren Ansatz: Er betrachtete offenbar ganz wie Louis Spohr in seinem Vorwort zu Opus 26 das Fehlen der gut intonierten Töne h0/fis2, welche als Leittöne für C-Dur bzw. G-Dur von Bedeutung sind, als die größten Mängel der zeitgenössischen Klarinette. Weil die Töne h0 und fis2 in der Regel zu hoch sind, wenn der Gabelgriff für b0/f2 gut stimmt, ergibt sich bei der Klarinette ein Intonationsproblem für diese Töne. Simiot bringt ein zusätzliches chromatisch offenes Tonloch mit einer im Ruhezustand verschlossene sechste Klappe für den rechten Ring- oder Kleinfinger an, die bei der Produktion von h0/fis2 niedergedrückt wird und den Ton erhöht.
Im Gegensatz zu den anderen Instrumentenbauern war Simiot offensichtlich der Auffassung, dass die Intonation der diatonischen Klarinette verbessert werden sollte, bevor man sich mit ihrer chromatischen Erweiterung beschäftigte.
Nimmt man nun diese drei Entwicklungen zusammen – Trillerklappe, cis1/gis2-Klappe und h0/fis2-Verbesserung – hat man schon acht der von Spohr geforderten Klappen beisammen. Die Standardisierung der Griffweise und des Tonvorrats muss für Instrumentalisten und Komponisten gleichermaßen ein Desideratum gewesen sein – wie nicht zuletzt Louis Spohrs Vorbemerkung eindrücklich zeigt. Erst mit dem um 1812 aufkommenden Müller-System erfolgt allmählich eine Standardisierung des Griffsystems.
Klarinette in B
Jean Jacques Simiot
Lyon, zwischen 1808 und 1827
MIMUL 1487
6 Klappen
Als querverlaufende Klappe für den kleinen Finger der linken Hand war die cis1/gis2-Klappe durchaus nachzurüsten, so dass sich nicht immer bestimmen lässt, ob die sechste Klappe an einer Klarinette vom Hersteller stammt oder später hinzugefügt wurde.
Als querverlaufende Klappe für den kleinen Finger der linken Hand war die cis1/gis2-Klappe durchaus nachzurüsten, so dass sich nicht immer bestimmen lässt, ob die sechste Klappe an einer Klarinette vom Hersteller stammt oder später hinzugefügt wurde.
Der Klarinettenbauer Jochen Seggelke über die Entwicklung der Klarinette zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Video von Kay Wilk und Fabian Everding
Bamberg 2021
Video von Kay Wilk und Fabian Everding
Bamberg 2021
Der Klarinettist Stefan Harg über die Entwicklung der Klarinette zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Video von Stefan Harg
Stockholm 2021
Video von Stefan Harg
Stockholm 2021
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