links:
Klarinette in B
Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf
Göttingen um 1828
MIMUL 9045
Tropenholz, Klappen versilbert, Ringe und Birne aus Elfenbein, Mundstück aus Metall
Gesamtlänge: 688 mm
Müller-Typ mit 15 Klappen
rechts:
Klarinette in B
unsigniert, Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf zugeschrieben
Göttingen 1828
Leihgabe aus Privatbesitz
Ebenholz, Klappen versilbert, Ringe und Birne aus Elfenbein, Mundstück aus Metall
Gesamtlänge: 695 mm
Müller-Typ mit 15 Klappen
Welche Merkmale zeigen, dass dies die
von Hans Eberhardt beschriebene Klarinette
des Fürsten Günther ist?
von Hans Eberhardt beschriebene Klarinette
des Fürsten Günther ist?
Video von Katharina Krannich und Fabian Everding
Leipzig 2021
Wie kam das Instrument in den Besitz der Klarinettistin Sabine Meyer?
Video von Ryoto Akiyama und Fabian Everding
Leipzig 2021
Ebenholz und Elfenbein
Höfischer Instrumentenbau
Vier Klarinettenkonzerte komponierte Louis Spohr zwischen 1808 und 1828 für Simon Hermstedt. Zur Aufführung der ersten zwei Konzerte benutzte der Solist eine Klarinette, die auf dem 5-klappigen Modell des späten 18. Jahrhunderts beruhte, deren Tonvorrat aber durch einige hinzugefügte Klappen erweitert worden war.
Die beiden hier vorgestellten Klarinetten aus dem Besitz Hermstedts und seines Arbeitsgebers und Schülers, des Fürsten Günther, sind nach der bahnbrechenden Entwicklung des Virtuosen Iwan Müller von dem Göttinger Instrumentenbauer Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf angefertigt. Dabei wurde Ebenholz für das Korpus der Klarinetten verwendet, Silber für die Klappen und Elfenbein für die Ringe und die Birne der Klarinette.
Das Ebenholz wurde keineswegs nur wegen seiner optischen Eigenschaften für den Holzblasinstrumentenbau ausgewählt: Erst seine dichte Struktur ermöglicht es, eine größere Anzahl von Klappen am Instrument zu befestigen und die Klarinette mit zusätzlichen Tonlöchern auszustatten, ohne dass es zu Rissen im Holz kommt. Die Elfenbeinringe verstärken die Zapfen-Verbindungen, da das Holz an diesen Stellen dünner ist. Das Oberstück hat anstelle der üblichen Holzzapfen solche aus Messing.
Auffällig ist das schwere Mundstück aus einer Buntmetall-Legierung, dessen Klang von den Zeitgenossen hervorgehoben wird:
»Die Klangfarbe gewann etwas Metallisches, Glockenartiges, wie sie mit Holzschnäbeln niemals erzielt werden kann. Das Holzige, Schalmeienartige, welches den mittleren und höheren Klarinettentönen eigen ist, war bei Hermstedts Instrumenten nicht zu hören. Dieselben hatten mehr den Wohlklang von Glasharmonikas, während die tiefere Tonregion Ähnlichkeit mit der Klangschönheit metallener Orgelpfeifen des entsprechenden Registers zeigte. Spohrs Klarinettenkonzerte sind ganz besonders für die Klangschönheit der Hermstedtschen Klarinette berechnet, denn der Meister hat sie […] eigens für diesen Virtuosen geschrieben«, erinnert sich ein Rezensent in der Zeitschrift für Instrumentenbau (1881).
Auch die Birne ist eine Besonderheit. Die breite Elfenbeinmanschette verbirgt einen Mechanismus aus Messing. Der Zylinder in ihrem Innern ist drehbar. Er läuft auf einem Gewinde und verändert beim Drehen seine Position. Eine kleine Nut am Messingzapfen des Oberstücks rastet in die Schiene ein und hält den Zylinder in Position. Durch Drehen der Birne verlängert oder verkürzt sich die Rohrlänge. Auf diese Weise kann man das Instrument nach Bedarf einstimmen, ohne dass die Zapfenverbindungen instabil oder undicht werden.
Über die Herstellung dieser technischen Neuerung berichtet die Allgemeine Musikalische Zeitung 1832:
»Die Eigentümlichkeit seiner [Hermstedts] beiden Instrumente [gemeint ist wohl ein Satz] besteht darin, daß die Birne des metallenen Mundstücks als Maschine dient, vermittels einer Schraube die Klarinette höher und tiefer stimmen zu können. Die Mundstücke werden in Sondershausen verfertigt, die verbesserte Klarinette aber vom Instrumentenbauer Streitwolf in Göttingen.«
Durch die von Streitwolf vorgenommene Verlagerung des Überblaslochs von der Rückseite auf die Vorderseite des Instruments wird die Ansammlung von kondensierender Nässe im Tonloch vermieden, welche sich störend auf Ansprache und Intonation der Klarinette auswirkt. Aus demselben Grund ist das Daumenloch mit einer Messinghülse versehen.
Ferner liegen die Drücker für den kleinen Finger der rechten Hand dicht beieinander, um einen raschen Wechsel zwischen diesen Klappen zu ermöglichen. Darüber hinaus gibt es einen alternativen Drücker für gis0/dis2, weil die Klappe bei Streitwolfs Modell auch mit dem rechten Daumen bedient werden kann.
Der unerwartete Becher der Klarinette fällt ins Auge.
Bereits ein Aufsatz von Hans Eberhardt aus dem Jahr 1940 beschreibt ihn: »Eine Eigentümlichkeit sei noch erwähnt: am Schallbecher ist oberhalb des unten abschließenden Elfenbeinringes ein 5,5 cm langer und 1 cm hoher Streifen aus dem Schallbecher ausgeschnitten, um die tiefen Töne rein zu halten.«
Am Oberstück zeigt bei beiden Klarinetten ein zugesetztes Tonloch neben dem Daumenloch, dass an beiden Instrumenten Korrekturen vorgenommen wurden. In ihren baulichen Details stimmen die Klarinette des Fürsten und die seines Hofmusikers überein. Allerdings ist die Klarinette des Fürsten mit dem Werkstattstempel Streitwolfs signiert und mit den Symbolen des Fürsten von Sondershausen – Kamm und Gabel in einem Kreis – graviert. An Ringen und Birne ist das fürstliche Instrument außerdem reich verziert.
Die beiden hier vorgestellten Klarinetten aus dem Besitz Hermstedts und seines Arbeitsgebers und Schülers, des Fürsten Günther, sind nach der bahnbrechenden Entwicklung des Virtuosen Iwan Müller von dem Göttinger Instrumentenbauer Johann Heinrich Gottlieb Streitwolf angefertigt. Dabei wurde Ebenholz für das Korpus der Klarinetten verwendet, Silber für die Klappen und Elfenbein für die Ringe und die Birne der Klarinette.
Das Ebenholz wurde keineswegs nur wegen seiner optischen Eigenschaften für den Holzblasinstrumentenbau ausgewählt: Erst seine dichte Struktur ermöglicht es, eine größere Anzahl von Klappen am Instrument zu befestigen und die Klarinette mit zusätzlichen Tonlöchern auszustatten, ohne dass es zu Rissen im Holz kommt. Die Elfenbeinringe verstärken die Zapfen-Verbindungen, da das Holz an diesen Stellen dünner ist. Das Oberstück hat anstelle der üblichen Holzzapfen solche aus Messing.
Auffällig ist das schwere Mundstück aus einer Buntmetall-Legierung, dessen Klang von den Zeitgenossen hervorgehoben wird:
»Die Klangfarbe gewann etwas Metallisches, Glockenartiges, wie sie mit Holzschnäbeln niemals erzielt werden kann. Das Holzige, Schalmeienartige, welches den mittleren und höheren Klarinettentönen eigen ist, war bei Hermstedts Instrumenten nicht zu hören. Dieselben hatten mehr den Wohlklang von Glasharmonikas, während die tiefere Tonregion Ähnlichkeit mit der Klangschönheit metallener Orgelpfeifen des entsprechenden Registers zeigte. Spohrs Klarinettenkonzerte sind ganz besonders für die Klangschönheit der Hermstedtschen Klarinette berechnet, denn der Meister hat sie […] eigens für diesen Virtuosen geschrieben«, erinnert sich ein Rezensent in der Zeitschrift für Instrumentenbau (1881).
Auch die Birne ist eine Besonderheit. Die breite Elfenbeinmanschette verbirgt einen Mechanismus aus Messing. Der Zylinder in ihrem Innern ist drehbar. Er läuft auf einem Gewinde und verändert beim Drehen seine Position. Eine kleine Nut am Messingzapfen des Oberstücks rastet in die Schiene ein und hält den Zylinder in Position. Durch Drehen der Birne verlängert oder verkürzt sich die Rohrlänge. Auf diese Weise kann man das Instrument nach Bedarf einstimmen, ohne dass die Zapfenverbindungen instabil oder undicht werden.
Über die Herstellung dieser technischen Neuerung berichtet die Allgemeine Musikalische Zeitung 1832:
»Die Eigentümlichkeit seiner [Hermstedts] beiden Instrumente [gemeint ist wohl ein Satz] besteht darin, daß die Birne des metallenen Mundstücks als Maschine dient, vermittels einer Schraube die Klarinette höher und tiefer stimmen zu können. Die Mundstücke werden in Sondershausen verfertigt, die verbesserte Klarinette aber vom Instrumentenbauer Streitwolf in Göttingen.«
Durch die von Streitwolf vorgenommene Verlagerung des Überblaslochs von der Rückseite auf die Vorderseite des Instruments wird die Ansammlung von kondensierender Nässe im Tonloch vermieden, welche sich störend auf Ansprache und Intonation der Klarinette auswirkt. Aus demselben Grund ist das Daumenloch mit einer Messinghülse versehen.
Ferner liegen die Drücker für den kleinen Finger der rechten Hand dicht beieinander, um einen raschen Wechsel zwischen diesen Klappen zu ermöglichen. Darüber hinaus gibt es einen alternativen Drücker für gis0/dis2, weil die Klappe bei Streitwolfs Modell auch mit dem rechten Daumen bedient werden kann.
Der unerwartete Becher der Klarinette fällt ins Auge.
Bereits ein Aufsatz von Hans Eberhardt aus dem Jahr 1940 beschreibt ihn: »Eine Eigentümlichkeit sei noch erwähnt: am Schallbecher ist oberhalb des unten abschließenden Elfenbeinringes ein 5,5 cm langer und 1 cm hoher Streifen aus dem Schallbecher ausgeschnitten, um die tiefen Töne rein zu halten.«
Am Oberstück zeigt bei beiden Klarinetten ein zugesetztes Tonloch neben dem Daumenloch, dass an beiden Instrumenten Korrekturen vorgenommen wurden. In ihren baulichen Details stimmen die Klarinette des Fürsten und die seines Hofmusikers überein. Allerdings ist die Klarinette des Fürsten mit dem Werkstattstempel Streitwolfs signiert und mit den Symbolen des Fürsten von Sondershausen – Kamm und Gabel in einem Kreis – graviert. An Ringen und Birne ist das fürstliche Instrument außerdem reich verziert.
oben:
Birne mit Streitwolfs Stimmmechanik
Birne mit Streitwolfs Stimmmechanik
Technische Zeichnung von Franziska Bühl
Leipzig 2021
Die beiden Streitwolf-Klarinetten
links in B (MIMUL 9045),
rechts in B (Leihgabe aus Privatbesitz)
rechts in B (Leihgabe aus Privatbesitz)
Weitere Informationen zu den beiden Streitwolf-Klarinetten im musiXplora.
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